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Für verzweifelte Frauen

bedeutet eine Organisation Rettung in höchster Not

Bericht aus dem FOCUS-online-Adventskranz
von FOKUS-online Autor Niklas Golitschek

Sonntag, 04.12.2022, 16:03

Ob häusliche Gewalt, psychische Beeinträchtigungen, Armut oder eine Kombination verschiedener Probleme: Der Sozialdienst Katholischer Frauen kümmert sich um Frauen in Not. Doch die Hilfe stößt angesichts der Preissteigerungen an ihre Grenzen.

 

Der Start ins neue Leben beginnt für Mishi Khan (Name geändert) in Armut. Im Oktober ist sie vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflüchtet. Weil die Frauenhäuser in Trier keine Plätze mehr frei hatten, fand sie Zuflucht in der Notschlafstelle des Sozialdiensts Katholischer Frauen (SKF).

Mit der Entscheidung, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, hat Khan nun jedoch einige Herausforderungen zu bewältigen. Angesichts der Preissteigerungen in allen Lebensbereichen sind auch finanzielle darunter.

FOCUS-online-Adventskranz

An jedem Adventssonntag entzünden wir bei FOCUS online eine Kerze in Form eines Artikels, in dem wir Personen und Organisationen vorstellen, die etwas bewegen. Sie kämpfen gegen den Klimawandel, helfen Menschen angesichts der hohen Inflation, setzten sich für Menschenrechte und Flüchtlinge ein.

Hier finden Sie die erste "Kerze": FOCUS-online-Adventskranz - Ein Dorf in Niedersachsen zeigt, was Zusammenhalt bedeutet

In den vergangenen Jahren kümmerte sich Khan um den Haushalt und die Erziehung des Kindes, das eine Leihmutter geboren hat. Die 34-Jährige kann selbst keine Kinder zeugen.

Khan ist auf Sozialhilfe angewiesen

Die gebürtige Pakistanerin, die inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, blickt kritisch auf ihr früheres Leben. Sie sei einem hohen emotionalen Druck des Ehemannes und dessen Familie ausgesetzt gewesen und habe gehorchen müssen. Doch die Gewalt wollte sie nicht länger hinnehmen.

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Mit geringen Deutschkenntnissen und ohne Arbeit ist Khan zunächst auf Sozialhilfe angewiesen. Für 620 Euro Warmmiete eine Zwei-Zimmerwohnung für sich und später hoffentlich das Kind zu finden, beschreibt sie schon als schwierig. Vergleichsweise schnell wurde sie hier bereits nach einem Monat fündig.

Doch nun mit 450 Euro im Monat leben – bei der aktuellen Inflation sei das kaum zu handhaben. „Das ist nicht genug“, stellt Khan fest. 50 Euro davon gingen allein für Strom weg, die Kaution, Internet und Bustickets müssten davon ebenfalls bezahlt werden.

Maximal 300 Euro blieben da übrig. „Die 450 Euro brauche ich eigentlich nur für Essen und Kleidung.“

„In der Masse sind die Anfragen neu“

Solche finanziellen Sorgen kennt SKF-Geschäftsführerin Regina Bergmann gut. Die Organisation unterstützt Menschen mit geringem Einkommen und in der vergangenen Zeit hätten sich zunehmend Personen gemeldet, die unter den steigenden Energiekosten litten.

„Aber die Masse der Anfragen ist zuletzt stark gestiegen“, bilanziert sie. Unter anderem die Pleitewelle bei Billig Energieversorgern habe hier verstärkt zu Problemen geführt. Denn die Kunden mussten anschließend in die deutlich teurere Grundversorgung, während die Preise immer weiter stiegen – das Einkommen allerdings nicht.

Der SKF hat darauf inzwischen reagiert und einen Spendentopf aufgesetzt, um in Notsituationen mit Supermarkt-Gutscheinen, Abschlagszahlungen oder energiesparenden Elektrogeräten zu helfen.

Die Gutscheine verteilt die Organisation bereits seit den pandemiebedingten Tafelschließungen 2020. „Wir wollen die Menschen auffangen", sagt Bergmann.

An den Sorgen der Menschen wird auch Bürgergeld nichts ändern

Zudem wurde eine Halbtagsstelle nur für die Energieberatung geschaffen. Durch die Kooperation mit der Verbraucherzentrale habe sie frühzeitig von der verzweifelten Lage vieler Betroffener erfahren und gehandelt.

„Die Anrufer sind teils psychisch am Ende und äußern Suizidgedanken“, sagt Bergmann. Da es aktuell vor allem Ängste seien, könne das Team frühzeitig eingreifen und unterstützen.

Doch ab dem kommenden Frühjahr rechnet sie mit einer steigenden Zahl an Räumungsklagen. „Der Strom ist im Regelsatz eingepreist. Wenn sich der Preis plötzlich verdoppelt, ist das ein echtes Problem“, betont sie. Der SKF selbst erwartet für die eigenen Räume Mehrkosten von rund 100.000 Euro.

An den Sorgen der Menschen werde auch das Bürgergeld, das im kommenden Jahr das Hartz IV ersetzen wird, nichts ändern, vermutet sie. Sorgen bereitet Bergmann außerdem die Wohnungsnot und der kaum vorhandene bezahlbare Wohnraum für die Klientel.

Der SKF erreicht 4000 Menschen pro Jahr

„Wo Ressourcen knapp werden, sind die Risiken für gesellschaftliche Verwerfungen größer“, mahnt sie. In dieser Kette seien Kinder am hilflosesten. Die Hilfsangebote und ehrenamtlichen Strukturen wie die Tafel, die der SKF in Trier betreibt, seien nicht für Krisen wie die aktuelle ausgelegt.

Die Politik sei gefordert, Lösungen für die Probleme zu finden, die sie schaffe. Spendenaufrufe für arme Menschen in Deutschland aus der Politik kritisiert Bergmann als „unzulässige Bevormundung“. Notwendig sei vielmehr eine systematische Armutsbekämpfungspolitik.

Mit den verschiedenen Unterstützungsangeboten erreicht der SKF mit seinen rund 180 Mitarbeitern nach eigenen Angaben rund 4000 Menschen pro Jahr und stellt 66 Plätze für Frauen und Kinder – die seien aktuell voll belegt. Geplant ist deshalb, mit Containern auf dem eigenen Gelände weiteren Platz zu schaffen.

„Jeder will arbeiten“

Mishi Khan will in Zukunft arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Aktuell kümmert sie sich darum, dass ihr Masterabschluss für Business Administration aus Pakistan auch in Deutschland anerkannt wird. Außerdem will sie das Sprachniveau B1 erwerben.

Vorrang hat für sie jedoch aktuell, ihr Kind adoptieren zu können – durch die Leihmutterschaft liegt das Sorgerecht bisher allein beim Vater. Eine Voraussetzung, um vor Gericht Aussicht auf Erfolg zu haben, war die eigene Wohnung, die sie nun vorweisen kann, so Khan.

„Jeder will arbeiten und sich nicht auf Sozialhilfe verlassen. Aber manchmal braucht man sie in schwierigen Zeiten“, sagt sie. Auch wer nicht arbeite und nicht zum Sozialsystem beitrage, sei Teil der Gesellschaft und gehöre dazu, sagt Bergmann.

Hier können Sie an den SKF spenden

Im Gespräch drückt Khan auch ihre Wertschätzung für den SKF aus. „Sie bieten eine Unterkunft und Unterstützung in jeder Hinsicht“, lobt sie.

Nach Jahren isoliert im Haushalt mit ihrem gewalttätigen Ehemann habe sie hier nun soziale Kontakte gefunden. „Das macht einen großen Unterschied, die Menschen geben mir Selbstbewusstsein“, gibt sie sich optimistisch und will jetzt die noch bevorstehenden Herausforderungen ebenfalls meistern.

Für den Spendentopf und weitere soziale Projekte für Frauen in Not freut sich der Sozialdienst Katholischer Frauen in Trier über Unterstützung über die Online-Spendenseite.